Mitgefühl, unsere Superpower

Mitgefühl – die verkannte Kraft in uns

Komm, das ziehst Du jetzt durch! Was haste denn da schon wieder gemacht? So wird das ja nie was! Da musst Du Dich schon ein bisschen mehr anstrengen…

Kennst du diese oder ähnliche Selbstgespräche? Die laufen tagtäglich in unserem Kopf ab. Nicht immer bemerken wir sie, denn manche haben sich bereits verselbstständigt und geschehen im Verborgenen. Es ist zu einer Haltung geworden, wie wir mit uns sprechen – fordernd, kritisch, richtend, tadelnd und anderes mehr. Die Stimme ist schneidend, klingt hart und der Körper schwingt sich darauf ein. Zieht sich zusammen, weil er ausweichen will. Was das wohl auf Dauer mit uns macht?

Um wie vieles schöner wären mitfühlende und motivierende Worte, die uns erlauben diese oder jene Situation weiser zu handhaben. Mit einer Freundlichkeit und Wohlwollen uns selbst und allen Beteiligten gegenüber.

Mitgefühl ist übrigens eines der Worte und Gefühle, wo mir viele Missverständnisse begegnen.

Mitgefühl und Mitleid

Mitgefühl ist aktiv und kümmert sich. Wir lösen uns dabei nicht in unserem Leid oder dem anderer Lebewesen auf, sondern wir akzeptieren, dass es in der Welt Leid gibt und es ein Teil unseres Menschseins und Lebens auf der Erde ist. Das heißt nicht, dass wir das gut finden, was passiert.

Sanftheit und Anteilnahme sind Charakteristika von Mitgefühl. Ein Impuls zu handeln ist spürbar, um Leid zu lindern. Was wäre Pflegepersonal oder ein Arzt/eine Ärztin ohne Mitgefühl gegenüber den Ihnen anvertrauten Personen? Wie sehe eine Welt ohne Klimaaktivisten aus, die mitfühlen, wie die Erde ausblutet? Was wäre, wenn es keine Menschen gäbe, die sich voller Mitgefühl für Tiere einsetzen, die unseren Schutz brauchen?

Mitleid hingegen hat eher eine Tendenz zur Handlungsunfähigkeit. Wir begeben uns in den Schmerz, wie auch immer er bei uns gerade präsent ist, und verlieren dort dir Orientierung.

Es gibt eine Geschichte, wo einem wilden Löwen, der sich in der Savanne einen Dorn in die Tatze getreten hat, geholfen wird. Mutig und unerschrocken und mit dem Wunsch, das Leid dieses Tieres zu lindern, nähert sich ein junger Mann dem Löwen und entfernt ihm den Stachel. Von nun an sind beide Freunde.

Wo ist dein Stachel? Wo wäre es besser, hinzuschauen und sich zu kümmern, als über den Schmerz zu leiden? Wie kannst du dir ein guter Freund/eine gute Freundin sein, auch wenn es mal nicht optimal läuft?

Mitgefühl – eine schlummernde Stärke in jedem Menschen

Viel zu oft wird eine mitfühlende Haltung mit Nachgiebigkeit verwechselt. Dabei schafft gerade Mitgefühl die Möglichkeit klar zu werden. Eine Haltung einzunehmen zu dem was ich will und dem was ich nicht will. Dabei muss ich mich nicht anschreien, sondern kann mir Wärme und Sanftheit schenken, in dem vertrauen, dass dies richtig verstanden und umgesetzt wird.

Mitgefühl und eigene Grenzen

In einer freundlichen Haltung uns selbst gegenüber können wir uns auch jenen Bereichen von uns zuwenden, wo wir Grenzen spüren, z. B. in unserer Leistungsfähigkeit, dem körperlichen Schmerz oder unserem Widerstand.

Mitgefühl bedeutet nicht, dass wir keine Grenzen mehr haben oder alles hinnehmen müssen. In meiner Erfahrung, begegnen wir unseren Grenzen mit einem milden Herzen respektvoller und akzeptieren, dass es auch mal Grenzüberschreitungen geschehen. Dass wir uns damit das Leben selber schwer machen, wenn wir nicht hören, wann wir im Alarmsystem unterwegs sind oder wann unser Antriebssystem uns ständig zu höheren Leistungen anspornt.

Mit einem liebevollen Herzen können wir erkennen, dass die Situation uns gerade herausfordert, und weise entscheiden, was wir brauchen. Welche Strategie ist gerade passend?

Gehst du mitfühlend mit deinen Grenzen um? Oder hörst du dich oft schimpfen, kritisieren oder über dich richten in deinen Selbstgesprächen?

Wie fühlst du dich nach solch inneren Dialogen? Kaum besser, oder?

Mitgefühl mit uns selbst zu haben, ist nicht immer einfach, weil wir so sehr in unseren alten Mustern stecken. Aber wir können uns wieder daran erinnern, denn es ist eine Gabe, die in uns allen steckt. Sie macht das Leben heller, freundlicher und freudiger.

„Die beiden Bestandteile echter Akzeptanz – klares Sehen (Achtsamkeit) und mitfühlendes Halten unserer Erfahrung – sind voneinander abhängig wie die Flügel eines großen Vogels. Gemeinsam befähigen sie uns zu fliegen und frei zu sein.“

Tara Brach

Mitgefühl trainieren

In einem MBCL (Mindfulnes Based Compassionate Living)-Kurs lernst du, auch mit den schwierigen Aspekten in deinem Leben gut umzugehen und deine Schweinwerfer wieder auf die freudigen Aspekte auszurichten. Du kommst in die Kraft der Dankbarkeit und schmeckst die Kostbarkeit des lebendig seins, mit allem Drum und Dran. Das ist Menschsein. Die inneren Stimmen, die dich zuvor runtergezogen haben, werden leiser und du wirst dir mehr und mehr wohlwollende, motivierende und unterstützende Sätze zusprechen. Du wirst dir und anderen Lebewesen ein guter Freund/eine gute Freundin sein.