Heute morgen bin ich aufgestanden und mir der klaren Luft um mich herum sehr bewusst geworden. Sofort hat es mich zur Meditation in eine stille Ecke des Gartens gezogen. Nach dem gestrigen Regen und der langen Trockenheit riecht es draußen einfach total anders. Ich glaube, der Regen hat der ganzen Natur, und dazu zähle ich mich auch, sehr gut getan. Ich hatte den Impuls etwas über den Atem zu schreiben.
Kaum hatte ich den Impuls bemerkt, folgte die Frage, ob ich jetzt überhaupt etwas schreiben darf, das mit Atem zu tun hat. Denn der Tod von George Floyd und seine Worte „I can´t breathe“ sind für mich gerade sehr präsent und ich bin, wie viele andere Menschen wohl auch, sehr berührt von dieser unfasslichen Tat. Auch die Corona-Toten der letzten Wochen und die, die vielleicht noch folgen werden, hatten am Ende ihres Lebens nicht mehr genug Atemluft zur Verfügung.
Ich habe mir diese Frage dennoch mit „Ja“ beantwortet, daher gibt es nun diesen Blog von mir, der auch ein „Wofür“ enthält.
Warum schreibe ich gerade jetzt etwas zum Atem?
Nicht aus einer Taktlosigkeit heraus, sondern aus der Wertschätzung dem Leben gegenüber. Erst, wenn der letzte Atemzug getan ist, dann werden wir wissen, dass er uns das ganze Leben lang unterstützt und genährt hat. So oft aber bemerken wir ihn gar nicht, sondern nehmen ihn als selbstverständlich hin. Vieles, was uns immer zur Verfügung steht, bemerken wir oft nicht, außer, wir richten wieder bewusst unsere Aufmerksamkeit darauf oder es ist plötzlich weg.
Ich weiß, dass ich diese Zeilen aus einer privilegierten weißen Haut heraus schreibe. Auch habe ich noch ein Dach über dem Kopf und kann mir etwas zu essen kaufen. Aber auch ich habe Schwierigkeiten in meinem Leben erfahren, die existentiell waren und es kann sein, dass sie es wieder werden, doch ich werde alles dafür tun, dass es nicht soweit kommt. Dafür muss ich in erster Linie eines – atmen. Also am Leben bleiben. Wenn ich das tue, dann kann ich etwas bewegen. Dann kann ich einstehen gegen Rassismus und für eine Welt, in der die Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft und Hautfarbe, gleichgestellt sind. Ich kann mich wehren gegen die totale Überwachung und für eine freie und demokratische Gesellschaftsform, ich kann mich für mehr Gleichberechtigung, gegen Klimawandel, für eine saubere Umwelt und für eine bessere Tierhaltung in Agrarbetrieben einsetzen. Das waren im Laufe meines Lebens genau diese Themen und sie sind es noch heute.
Ich weiß, dass ich nicht an jeder Ecke der Welt sein und alles heilen kann, aber ich kann in meinem mir möglichen Rahmen die Welt mitgestalten. Du kannst das genauso! Gestalte die Welt, in der du leben möchtest und in der deine Kinder und Enkelkinder leben sollen. Dafür lohnt es sich zu atmen und voll anwesend zu sein.
Ich trage unter anderem mit Meditationen zu einer friedvolleren Welt bei. Ich schaffe einen Rahmen, in dem die Menschen sich stabilisieren können. In dem sie sein dürfen, wie sie gerade sind und Kraft schöpfen. Eine Teilnehmerin hat einmal zu mir gesagt:
„Gabriela, allein kannst du vielleicht nicht die Ozeane retten, aber du hilfst so vielen Menschen. Ich bin dir immer dankbar für die Kraft und die Ruhe, die mir deine Kurse schon verliehen haben und die mich ermutigt haben, noch selbständiger zu werden.“
Wenn wir bemerken, dass wir alle gemeinsam die gleiche Luft atmen, miteinander verbunden sind und genug Luft für alle da ist, dann ist schon viel erreicht. Wenn wir nur in einem Atemzug lang spüren, dass es friedlich in uns ist, dann vielleicht noch in einem zweiten oder dritten…
Wow – wie dann die Aggressionen und Spannungen weniger werden, wenn Frieden in uns ist. Dann kann nicht gleichzeitig Krieg sein.
Allerdings können im nächsten Moment Wut, Trauer, Angst, Hass, Neid, Eifersucht, Unsicherheit, Hilflosigkeit wieder auftauchen. Dann ist es gut zu spüren, dass es auch einen Teil in uns gibt, der ruhig und friedvoll ist, der liebt, glücklich ist, offenherzig, demütig, der sich sicher und geborgen fühlt, der mitfühlend und stabil ist. Wir haben die Wahl welchen Anteil davon wir stärken wollen. Der, dem wir Nahrung geben, wird wachsen. Wenn du nun morgen den Tag mit einem oder mehreren friedvollen Atemzügen beginnst, wirst du Ruhe und Frieden nähren. Wenn du dir immer wieder mal Zeit nimmst im Mitgefühl zu sein für dich, dann wirst du Mitgefühl für andere entwickeln. Wenn du dich dem Wunder des Atems zuwendest, dann wirst du Demut erfahren.
Nichts dauert ewig. Der Atem nicht und somit auch nicht das Leben. Wertschätze, was du hast und erfreue dich daran, denn das ist deine Bestimmung. Eine große Herausforderung ist, dies zu tun, wenn das Leid um einen herum immer größer wird.
Mögen alle Lebewesen glücklich sein.