Gabriela Voss; Anti-Stress-Coaching; Anfängergefühl; Veränderungen; Wachstumszone; Achtsamkeit; Veränderungsprozesse

Anfängergefühl – Die verborgene Weisheit im Neuanfang

Eine Reflexion über das Wagnis, wieder eine Lernende zu sein – und was zehn Jahre später dazu zu sagen ist.

Der Moment des Aufbruchs

Eingecheckt! Mit diesen Worten begann vor fast einem Jahrzehnt meine Reise ins Unbekannte. Die Ausbildung zur Outdoor-Trainerin in Lübeck stand bevor, eine große WG mit fremden Menschen wartete, und ich, mit 50 Jahren, festem Wohnsitz und etabliertem Berufsleben in Hamburg, begab mich bewusst zurück in die Position der Anfängerin.

Heute, zehn Jahre später, erscheint mir dieser Schritt wie ein Schlüsselmoment auf meinem Lebensweg. Was damals ein Sprung ins kalte Wasser war, hat sich als tiefe Quelle der Erkenntnis über mich selbst und die Art, wie wir Menschen wachsen und uns entwickeln erwiesen.

Das Unbehagen in der Schwelle zum Neuen

Die anfängliche Nervosität, die mich damals begleitete, erkenne ich heute als wertvolles Signal: Wir stehen an der Schwelle zu persönlichem Wachstum. Diese Unruhe ist kein Hindernis, sondern ein Wegweiser. Sie flüstert uns zu: Hier geschieht etwas Bedeutsames.

Die Fragen, die mich damals bewegten, waren universell und zeitlos:

  • Werde ich angenommen werden?
  • Kann ich den Anforderungen gerecht werden?
  • Darf ich authentisch sein?

Wie hältst du von dem Gefühl, ein/e Anfänger:in zu sein? Hält Dich das manchmal von Veränderungen ab? Oder siehst Du auch die andere Seite? Das nämlich immer etwas in unserem Leben passiert, wenn wir uns einer neuen Aufgabe stellen, in ein neues Umfeld begeben oder uns auf neue Leute einlassen. Diese Erfahrungen würdest Du sonst nicht machen.

In diesen Momenten der Unsicherheit befinden wir uns im Zwischenraum – nicht mehr im Vertrauten, aber noch nicht angekommen im Neuen. Diese Übergangsphase ist ein Raum voller schöpferischer Kraft, wenn wir den Mut haben, dort zu bleiben. Dann kann etwas Neues entstehen.

Die verborgene Kraft der Anfänger-Perspektive

Was ich damals noch nicht vollständig erfasst hatte: Die Anfängerinnen-Perspektive ist ein Geschenk. Der Zen-Buddhismus nennt es „Shoshin“ – den Anfängergeist. Ein Zustand, in dem wir offen, neugierig und frei von vorgefassten Meinungen sind. Paradoxerweise werden wir mit zunehmender Expertise oft unbeweglicher in unserem Denken.

Die drei E’s, die mir damals wichtig waren – Erleben, Ergründen, Erkennen – haben sich durch die Jahre hindurch als tragfähiges Fundament erwiesen. Doch ich würde heute ein viertes E hinzufügen: Entfalten. Denn jeder Neuanfang trägt in sich den Samen persönlicher Entfaltung.

Die Natur als Spiegel und Lehrmeisterin

Ein ausschlaggebender Punkt für meine Entscheidung zu dieser Ausbildung zur Outdoor-Trainerin war das Setting in der Natur. Raus aus dem normalen Seminar-Kontext konnten Strukturen sichtbar werden, die indoor oft im Verborgenen bleiben. Das war damals hilfreich für mich und das gebe ich gern heute an die Teams, mit denen ich arbeite, weiter.

Zudem spricht die Vielfalt der natürlichen Umgebung alle Sinne an und öffnet neue Wahrnehmungskanäle, die im Alltag oft verschlossen bleiben.

Wenn unerwartete Wetterwechsel unsere sorgfältig geplanten Aktivitäten durchkreuzten, wenn Orientierungsübungen komplexer wurden als erwartet, wenn Gruppendynamiken Spannungen erzeugten – in all diesen Momenten half die natürliche Umgebung geschmeidiger durch die Herausforderungen.

Wie ein Baum, der im Sturm nicht bricht, sondern sich biegt, lernte ich Flexibilität in Momenten der Herausforderung. Anpassungsfähigkeit ist nicht Schwäche, sondern lebenswichtige Stärke.

Die Komfortzone – ein trügerisches Paradies

Was geschieht, wenn wir unsere Komfortzone verlassen? Wir betreten zunächst die „Lernzone“ – einen Raum, in dem wir uns unsicher, manchmal sogar inkompetent fühlen. Dies ist der fruchtbare Boden, auf dem wahres Wachstum gedeiht. Dahinter liegt die „Panikzone“, in der unsere Lernfähigkeit blockiert wird.

Die Kunst besteht darin, die eigene Lernzone schrittweise zu erweitern, ohne in Panik zu geraten. Mit jedem bewussten Schritt ins Unbekannte geschieht etwas Bemerkenswertes: Was gestern noch Lernzone war, wird morgen Teil unserer erweiterten Komfortzone sein.

Vom Anfängergefühl zur Selbsterkenntnis

Nach zehn Jahren blicke ich gern auf diese prägende Zeit zurück und bemerke: Das Anfängergefühl hat mich nicht verlassen – es hat sich gewandelt. Von einer manchmal beängstigenden Unsicherheit zu einer bewusst gewählten Haltung der Offenheit und Neugier.

Die Fähigkeit, bewusst wieder zur Anfängerin zu werden, ist heute eine meiner wertvollsten Ressourcen. Sie erlaubt mir, festgefahrene Muster aufzulösen und neue Perspektiven zu entdecken. In einer Welt, die Expertise und schnelle Antworten belohnt, liegt in der Anfänger-Haltung eine revolutionäre Kraft.

Eine Einladung zur bewussten „Anfängerschaft“

Hast Du Lust, das Anfängergefühl auszuprobieren? Dann schlage ich Dir hier 3 Situationen vor, wo Du sofort testen kannst, wie es ist, ein/e Anfänger:in zu sein:

  • Nimm in Deinem nächsten Projekt/Job eine Aufgabe an, die Du noch nicht kennst. Bitte um Unterstützung, wenn Du nicht weiterkommst. Wie geht es dir damit?

  • Frage in Deinem Viertel jemanden nach einem besonderen Restaurant. Oder lass Dir etwas einfallen, wonach Du suchst. Sei für diesen Moment wie ein/e Tourist:in, der/die sich in dieser Stadt nicht auskennt und alles mit neugierigen Sinnen aufnimmt. Was erlebst du dabei?

  • Versuche mit einigen Sätzen in einer Dir fremden Sprache um etwas zu bitten. Wie fühlt sich das an? Wie reagieren die Leute auf Dich?

Die drei Situationen, die ich dir hier vorschlage, um das Anfängergefühl zu erleben, möchte ich noch um drei tiefere Ebenen erweitern:

  1. Die Ebene des Könnens:
    – Suche dir eine Fertigkeit, die du schon lange erlernen wolltest
    – Erlaube dir, ungeschickt zu sein und zu experimentieren
    – Beobachte, welche inneren Kritiker erwachen, wenn du nicht sofort Erfolg hast
    Reflexionsfrage: Wie verändert sich deine Wahrnehmung, wenn du dir erlaubst, Fehler machen zu dürfen?
  2. Die Ebene der Beziehungen:
    – Begegne einem vertrauten Menschen so, als würdest du ihn zum ersten Mal treffen
    – Höre mit vollständiger Präsenz zu, ohne zu wissen, was er/sie als nächstes sagen wird
    – Entdecke, wie viel du übersehen hast durch die Linse der Vertrautheit
    Reflexionsfrage: Welche neuen Facetten entdeckst du in jemandem, den du zu kennen glaubtest?
  3. Die Ebene des Selbst:
    – Betrachte deine tiefsten Überzeugungen über dich selbst
    – Wage es, sie als vorläufige Hypothesen zu sehen, nicht als unveränderliche Wahrheiten
    – Experimentiere mit alternativen Selbstbildern und Erzählungen
    Reflexionsfrage: Welche Teile deiner Identität erscheinen plötzlich formbar, wenn du sie mit Anfängergeist betrachtest?

Lebenslanges Lernen

Was ich in diesen zehn Jahren seit meiner Outdoor-Ausbildung verstanden habe, ist der zyklische Charakter des Lernens. Wir sind nie „fertig“. Nach jedem Gipfel folgt ein neues Tal, ein neuer Aufstieg, eine neue Perspektive.

Das Anfängergefühl bewusst zu kultivieren bedeutet, die Weisheit des Nicht-Wissens zu umarmen. Es bedeutet, in einer Welt der vermeintlichen Sicherheiten den Mut zu haben, Fragen zu stellen statt Antworten zu präsentieren. Es bedeutet, das Leben als fortwährenden Dialog zu verstehen, nicht als Liste abzuhakender Erfolge.

Mein Wunsch von damals hat sich erfüllt: Die Neugier und das Anfängergefühl sind mir erhalten geblieben. Mehr noch – sie sind zu einem bewusst gewählten Lebensweg geworden.

Und aus dieser Neugier heraus frage ich dich:

  • In welchem Bereich deines Lebens könntest du dir erlauben, wieder ein/ Anfänger:in zu sein?
  • Welche Tür würde sich öffnen, wenn du das Nicht-Wissen als Raum der Möglichkeiten begrüßen könntest?
  • Welches Anfängergefühl hast du in letzter Zeit erlebt und was hat es dich über dich selbst gelehrt?

Ich finde, zu glauben, alles zu wissen, macht nicht nur dumm – es beraubt uns der wunderbaren Erfahrung, immer wieder neu geboren zu werden, mit jedem mutigen Schritt ins Unbekannte.

Wenn du begleitet in deine neue Welt haben möchtest, dann ist für ein Coaching mit mir vielleicht gerade jetzt der passende Zeitpunkt. Mehr dazu lies gern hier: gabrielavoss.de/coaching/ oder buche dir ein kostenfreies Kennenlerngespräch hier: zeeg.me/gabrielavoss

In stiller Verbundenheit mit allen Anfänger:innen dieser Welt 😊