Vor einigen Tagen machte ich einen ausgedehnten Spaziergang nach einem Sturm, als ich plötzlich auf ein Hindernis stieß. Ein umgestürzter Baum versperrte mir den Weg. Es gab kein Durchkommen. Zumindest auf den ersten Blick. Was nun?
Ich blieb stehen und dachte über meinen Umgang mit Hindernissen nach. Davon hatte es in meinem Leben durchaus schon einige gegeben: ich habe mir eine Platzwunde am Kopf vor einem wichtigen Punktspiel zugezogen, ein Lieblingsstudium (Meeresbiologie) durch ein verpatztes Abi verpasst oder die angebliche 1a-Lage eines Ladengeschäftes, die eher eine C-Lage war. Nun ja, ich bin trotzdem (oder gerade deswegen?) groß geworden.
Nun stand ich also vor dem Baum und bemerkte, wie es in mir arbeitete. So ein kleines Hindernis und doch meldeten sich die verschiedensten Stimmen zu Wort und schickten ihre Nachrichten an mich raus. Das sorgte für einigen Wirbel in mir. Alle wollten mir ihre Lösung als die Beste präsentieren.
Auszug aus meiner inneren WG:
Die Macherin
„Geh da einfach durch.“, sagte sie. Ich kenne das schon von ihr – die geht manchmal mit dem Kopf durch die Wand.
Ihr Motto lautet: „Geht nicht, gibt´s nicht.“
Mit dieser inneren Haltung kann ich einiges in Bewegung bringen. Dann fühle ich mich unkaputtbar. Allerdings kann das manchmal ziemlich schmerzhaft enden, weil es dieses unbedingte „Muss“ gibt. Es verschwimmen die Grenzen des Machbaren manchmal in den eigenen Wunschvorstellungen. Und seine Grenzen gut zu kennen, ist wichtig für die eigene Gesundheit. Sonst laufen wir Gefahr, dass wir in eine Erschöpfung rennen. Grenzen möchten wahrgenommen werden, manchmal auch verschoben, wenn es notwendig ist. In jedem Fall sollten wir gut für sie sorgen.
Die Analytikerin
Die sagte: „Bleib stehen.“ und wollte erst einmal die Situation von allen Seiten beleuchten und durchdenken.
Ihr Motto heißt: „Erst denken, dann handeln.“
Es gibt Situationen, da bin ich sehr dankbar für diese Stimme. Zum Beispiel, wenn ich eine Investition tätigen möchte. Damals, als ich mein Ladengeschäft angemietet habe, war allerdings die Stimme der Unabhängigen lauter und hat die Risiken vom Tisch gewischt.
Das Denken verzögert Entscheidungen. Allerdings verhindert es sie auch manchmal, wenn nämlich wir ins Grübeln verfallen. In Extremsituationen, in denen wir unter starkem Stress stehen, geht dann nichts mehr. Nicht einmal, ob wir die Schokolade mit oder ohne Nüsse kaufen sollten. Es gibt zu viele Möglichkeiten und wir verharren in Abwägungen und Alternativ-Szenarien.
Wo schnelles Handeln erforderlich wäre, ist diese Stimme hinderlich. Sie bewahrt einen allerdings an anderer Stelle vor impulsiven Handlungen, die man später bereut.
Die Entspannte
Die geht lässig um das Hindernis herum. Die hat keine Lust auf Auseinandersetzung oder Anstrengung. Warum auch, wenn man auch ohne viel Mühen durchs Leben kommt. Sie nimmt Dinge einfach nicht so wichtig und denkt sich:
„Es wird sich schon eine Lösung finden.“
Mit der Haltung bekommt sie öfter mal Stress mit meiner Macherin. Bei der zählen Leistung und schnelle Ergebnisse. Gechillt durchs Leben mäandern und auf diesem Weg auch die gesteckten Ziele erreichen, ist nicht jedermanns Sache.
Die Abenteurerin
Klasse! Ein umgestürzter Baum ist prima zum Klettern. Lass mal gleich ausprobieren (ihr war es übrigens egal, dass ich gerade eine feiner Klamotte anhatte….). Ich merkte schon, wie sich der Körper bereit machte für eine kleine Kraftanstrengung. Aus diesem Anteil spricht die pure Energie und Lebensfreude.
„Was soll schon sein?“
Immer ein wenig quirlig und gern mal risikobereit. Verspielt entdeckt sie die Welt und vergisst darüber manchmal die Vernunft. Aber die ist ja auch so spröde. Mit dieser Abenteuerlust ist die Welt lebendig. Eine Portion Risiko ist fein, aber es ist gut eine Verbündete zu haben, die das Leben etwas bodenständiger lebt und nicht nur spielen will.
Die Vernünftige
Oft ein wenig zurückhaltend und abwägend. Obwohl niemand in der Nähe war, stieg der Gedanke auf:
„Das kannst du doch nicht machen.“
Wenn sich dieser Anteil mit meiner Analytikerin zusammentut, wird es gähnend langweilig. Teilweise kommt es zum Stillstand, weil ja erst einmal alles bedacht, abgewogen und durch einen moralischen Filter laufen muss. In diesem Fall hatte sie nicht so viel zu sagen, denn erstens war der Baum schon umgefallen und nicht mehr so viel Vorsicht erforderlich und zweitens war keine Person in der Nähe, die mein Tun bewertet hätte.
Die Verbundene
Die kehrt um und findet einen neuen Weg. Ich habe sie so oft flexibel im Denken und Handeln erlebt. Diese innere Stimme vertraut darauf, dass es einen anderen Weg geben wird, der mindestens ebenso vielversprechend ist. Ihre Stimme könnte so lauten:
„Das Leben hält noch etwas Besseres für mich bereit.“
Ich habe eine kurze WG-Sitzung abgehalten (das geht mittlerweile sehr schnell) und habe mich entschieden umzukehren. Der andere Weg, den ich dann gefunden habe war ziemlich schön. Das hatte ich auch nicht anders erwartet.
Sehr oft sind uns dieser inneren Gespräche gar nicht bewusst. Sie laufen aber, mit mehr oder weniger vielen Beteiligten, eigentlich immer ab. Manchmal geht das ganz geschmeidig. Ein anderes Mal gibt es richtig Zoff in unserer WG und die Türen werden geknallt oder die Musik laut aufgedreht. Das fühlt sich weniger angenehm an. Also immer dran denken, dass du der Vermieter/die Vermieterin bist. Du beherbergst all diese Stimmen und hast die Möglichkeit sie zu moderieren. So kannst du tolle Synergien finden und dich unterstützende Mitbewohner:innen zuhause haben.
Kennst du deine inneren Stimmen, die sich bei Herausforderungen zu Wort melden?
Findest du ein solches Bild irritierend oder ist es hilfreich zu wissen, dass du aus mehreren Anteilen bestehst, die sich manchmal nicht einig sind in ihrer Vorgehensweise?
Welche Möglichkeiten fallen dir spontan bei deinem Umgang mit Hindernissen ein?
Wenn du Lust hast mit deinen inneren Anteilen zu arbeiten, um entspannter durchs Leben zu gehen, sprich mich gern an. Per Mail erreichst du mich hier: