Anker setzen und im Moment ankommen

Anker setzen und im Moment ankommen

Mit einfachen Mitteln den sicheren Hafen ansteuern.

Wo gehst du vor Anker? Wo entspannst du dich und fühlst dich wie in einem sicheren Hafen? Der Sturm kann dich nicht erreichen, denn du bist in geschützten Gewässern.

So ein Gefühl von „einfach nur sein“ hatte ich gestern Abend in einem Hamburger Restaurant. Die schwarzen Sessel mit goldenem Anker stehen dort auf der Außenterrasse und ich habe mich in einen von ihnen mit Decke und Kissen so richtig gemütlich niedergelassen. Das war meine Belohnung. Ich hatte nämlich gerade meine Reisekostenabrechnung fertig gestellt (ja, so etwas will auch gemacht werden) und entdeckte nun etwas freie Zeit, bevor ich mit meinem Mann verabredet war. Der Bauch meldete sich mit Hungergefühl und ich wusste, so kann ich nicht in die Lesung gehen, die wir uns anhören wollten. Der Magen würde lauter knurren, als die Mikros die Stimme des Erzählers übertragen können. Also habe ich mich entschlossen mein Essen draußen einzunehmen und nicht zu kochen.

Das Restaurant war relativ leer und der Sessel mit dem Anker hat mich sofort angesprochen. Er war dann auch so gemütlich zum Sitzen, wie er aussah. Das Essen war bestellt und ich wartete. Während ich das tat, musste ich (ja, der Drang war definitiv da) unbedingt in den Himmel starren (auch mal durch die Linse meiner Kamera…). Dieses absichtslose nach oben gucken und nur den Wolken zusehen, war herrlich entspannend. Der Kontrast der Farben und die Größe des Himmels waren wundervoll. Gleichzeitig spürte ich die Decke und das Kissen. Mir war warm und kuschelig. Ich brauchte nichts zu tun außer auf das Essen zu warten. Ein Gefühl von innerer Weite und Zufriedenheit breiteten sich aus.

Ich bemerke, dass mir Zeiten des Wartens immer kostbarer werden. Das ist der Zwischenraum, den ich mir manchmal nicht gönne, der mir dann aber geschenkt wird – in der Schlange vor der Supermarktksse, am Eis-Stand oder auf den Bus. Natürlich kann ich in diesem Zwischenraum meine Mails checken, Whats App schreiben, telefonieren, Nachrichten lesen oder Spiele spielen. Oder ich kann einfach mal nichts tun. Nur dort sein, wo ich gerade bin und mich dem Warten hingeben. Für einen Moment in mir selber vor Anker gehen und wahrnehmen, was gerade bei mir los ist. Bemerken, was für eine große Menge an Gedanken ich mir mache und die dann durch mein Gehirn rauschen, die mich ablenken und beschäftigt halten. Ich bemerke, mit welchen Projekten ich so beschäftigt bin und was ich alles plane.

Wenn ich das alles ziehen lasse und mich nur in diesem Moment aufhalte, dann nehme ich die Entspannung im Körper und im Geist wahr. Ich kann körperlich spüren, wie ich loslasse (in meinen Schultern besonders gern) und sich auch meine Stirn entspannt, hinter der all das Denken stattfindet.

Dann kam mein Essen. Das war ein Reiz, dem ich nicht wiederstehen konnte 🙂 Ich habe es mit Genuss gegessen. Im nächsten Moment war bereits mein Mann da und auch diesem Reiz hatte ich nichts entgegenzusetzen. Sein Lächeln war unwiderstehlich.

Mein kostbarer Moment allein war vorbei, doch ich habe es nicht bedauert. Das Leben fließt weiter und hält Neues bereit. Der Abend war übrigens noch sehr angenehm. Es wurden Gedichte von Mascha Kaleko gelesen. Ein paar ihrer Gedichte kannst du hier finden https://www.maschakaleko.com

Wenn du Lust hast, einen Moment vor Anker zu gehen, dann probiere doch mal dies aus:

Übung „Der sichere Hafen“

A – Anker im jetzigen Moment setzen

B – Bewusstheit über den Atem haben, der kommt und geht

I – in mir ruhen und lächeln