Mein Körper und ich im Stress

Mein Körper und ich im Stress

Wenn der Körper Signale schickt, dann lohnt es sich hinzuhören. Das lerne ich gerade wieder am eigenen Leib. Und das ist gut so, denn sonst würde ich ja nur in der Theorie über etwas sprechen, was ich nicht selber erfahren habe, oder? Aber genau darum geht es, um Erfahrung. Denn die bewirkt erst wirkliche Veränderung.

Eines der ersten Übungen in einem MBSR (Mindfulness Based Stress Reduction)-Kurs ist es, den Körper wieder bewusster wahrzunehmen und zu bemerken, wenn er Signale an uns aussendet, um darauf aufmerksam zu machen, dass gerade etwas nicht in Harmonie ist. Bemerken ist also ein wesentlicher Bestandteil, um etwas zu verändern. Unser Körper ist so etwas wie unsere Antenne im Stressgeschehen. Er ist mit der Außenwelt im Kontakt und gleichzeitig stellt er unser Zuhause dar. Wenn er also ständig auf eine Umwelt trifft, die ihm nicht gut tut, dann bringt ihn das in Disharmonie und das wird er auf die eine oder andere Art und Weise zeigen.

Zeitdruck und eine Fülle an Terminen

Nehmen wir einmal an, du bist gerade sehr unter Termindruck, vielleicht stehen viele Deadlines in der Firma an oder du bist als Selbstständige/r gut gebucht. Dann neigen wir Menschen ja gern dazu, noch eine Schippe draufzulegen und jagen von Termin zu Termin, weil wir die Hoffnung hegen, dass wir alles fertig bekommen.

Jetzt kommt dein Körper ins Spiel. Der empfindet diesen Zeitdruck und die Terminfülle wahrscheinlich als Stress, schüttet eine Menge von Stresshormonen aus und hätte gern mal eine Pause zum Verschnaufen. Deswegen zeigt er verspannte Schultern oder ein Ziehen im Rücken, es mag auch sein, dass es dir schwerfällt dich zu konzentrieren oder du wirst anfälliger für Infekte. „Alles halb so wild.“, wirst du dann vielleicht sagen oder „Das passt schon noch.“ oder „Nun stell dich nicht so an.“ Weiter geht´s im selben Tempo und – schwups, ehe du dich versiehst, bist du ausgeknockt. Der Schmerz braucht Therapie, die Konzentrationsstörungen brauchen Monotasking und der Infekt vor allem eines – Ruhe.

Mal ehrlich, schenkst du dir diese Zeit? Z. B. zu einer Massage oder Osteopathie-Sitzung zu gehen, eine Sache nach der anderen zu machen oder auch mal gar nichts? Also mir fällt das manchmal schwer. Denn ich liebe das, was ich tue. Einen Zeitrahmen zu setzen wann wirklich Feierabend ist, braucht eine freundliche und dennoch ziemlich bestimmte innere Haltung.

Letzte Woche ist mir das nicht gelungen. Ich hatte eine Menge Termine unterschiedlichster Art und wollte auf keinen verzichten. Es gab zwei Signale meines Körpers, die ich einfach ignoriert habe:

Kratzen im Hals.
Am Dienstag auf einem Netzwerk-Treffen saß ich wohl im Zug der Klimaanlage. Von morgens bis zum Abend. Am späten Nachmittag hatte ich bereits ein Kratzen im Hals, das ich ignorierte. Ich wollte ja nichts verpassen. Fazit: am nächsten Tag hatte ich starke Halsschmerzen und abends sogar leichtes Fieber.

Stimme verschwindet.
Das ging alles ziemlich rasch vorbei, so dass ich am Samstag schon wieder unter Leute ging und weiter netzwerkte. Irgendwann merkte ich, dass meine Lunge angestrengt war und meine Stimme krächzte. Als ich gehen wollte, hielt mich jemand auf und bat mich noch ein wenig zu bleiben. Ich bliebe tatsächlich noch 1 h mit der Konsequenz, dass ich am nächsten Tag kaum noch Stimme hatte:

Das war dann auch noch der Termin für einen Achtsamkeits-Tag, den ich nicht ausfallen lassen wollte, denn das konnte ich doch meinen Kunden nicht antun. 😉 Erst am Nachmittag merkte ich, wie mich das, trotz allen Schweigens, das wir praktizierten, anstrengte. Einen Tag später, war ich raus aus dem Spiel. Die Stimme wollte gar nicht mehr. Meine kommenden Termine musste ich absagen. Tja, und nun sitze ich hier und schreibe über die Körpersignale im Stressgeschehen und freue mich, wenn du einen Impuls für dich aus diesem Text ziehst. Vielleicht kennst du ähnliche Situationen und was ich hier erzähle ist dir gar nicht so fremd.

Was hat mich dazu getrieben, es so weit kommen zu lassen?

Ich kenne meinen Körper recht gut. Ich reize zwar immer mal wieder Grenzen aus, bin jedoch auch sehr achtsam mit mir. Trotzdem bin ich dieses Mal über meine Grenzen gegangen. Nachfolgend ein paar gute Gründe, die ich für mich herausgefunden habe. Innere Arbeit ist soooo wertvoll. Es mag sein, dass dir die eine oder andere These bekannt vorkommt 😉

  1. Ich suche den Austausch mit anderen Menschen und wünsche mir Verbundenheit. Im Netzwerk fühle mich zugehörig und eine Menge Inspiration gibt es noch obendrein. Da, wo ich war, war es einfach schön.
  2. Ich will nicht enttäuschen. Meine Teilnehmer*innen hatten sich schon so auf diesen Tag im Schweigen gefreut und sich vorbereitet. Und dann sage ich plötzlich am Morgen ab? No way!
  3. Ich werde gebraucht – hurra! Natürlich ist dieser Tag zu genau diesem Zeitpunkt des Kurses so super wichtig, dass er nicht ausfallen darf….
  4. Pflichtgefühl darf nicht fehlen! Wenn jemand, so wie ich, einen inneren Antreiber von „sei perfekt“ hat, dann steht Pflichterfüllung sehr weit oben.
  5. Ein Teil von mir wünschte sich Sicherheit. Nicht zu arbeiten bedeutet bei mir als Selbstständige, kein Geld zu verdienen bei Terminausfall. Als Angestellte ging es mir oft darum, dass ich keine Fehlzeiten hatte und leistungsfähig erscheinen wollte.
  6. Mein Ego wollte sich nicht mit Krankheit auseinandersetzen. Nicht leistungsfähig, umtriebig und aufregend zu sein, nein, so wollte ich mich nicht haben.

Reicht dir das schon an Denkmustern? Falls nicht, fülle gern noch ein paar auf in deiner Bewusstseins-Liste? 🙂 Du merkst vielleicht auch, dass sich einige Punkte auf dieser Liste ähneln. Und doch sind sie in feinen Nuancen anders. Es lohnt sich in sich hineinzuhorchen, was wirklich in Resonanz gehen. Und anschließend dem Bedürfnis dahinter auf die Spur zu kommen.

Was wäre eine passende Reaktion auf die Körpersignale gewesen?

  1. Mein Fürsorgesystem übernimmt die Führung. Ich wäre beim Bemerken der ersten Körpersignale gegangen – Punkt.
  2. Ich hätte meine Veranstaltung am Sonntag absagt. Das hätte keinem wirklich wehgetan, denn ich hätte sie nachholen können. Nichts ist so wichtig wie die Gesundheit.
  3. Ich gehe ins Mitgefühl mit mir und erkenne an, dass es mir gerade schwer fällt die Termine abzusagen, dass ich krank sein doof finde (voll in der Bewertung) und dass ich manchmal lieber perfekt bin als schwach. Dann frage ich mich, was ich mir Gutes tun kann.
  4. Zuhause geblieben, hätte ich liebevoll für mich gesorgt mit einer heißen Schokolade, dicken Socken und einem guten Buch.

Auch hier fülle gern weiter deine Strategie-Liste für dich auf, damit du eine Erinnerung hast, wenn die nächste Erkältung, das Ziehen im Rücken, der stechende Kopfschmerz oder ein anderes Signal kommt.

Jetzt bin ich ein wenig länger ausgefallen. Hätte ich frühzeitig auf meinen Körper gehört und mich ein wenig zurückgenommen, wäre diese ungewollte Auszeit wahrscheinlich nicht passiert. Und vielleicht sollte ich genau diese Lernerfahrung machen und mich erinnern, damit ich darüber schreiben kann und merke, dass nichts kontrollierbar ist und ich mittendrin bin – in diesem turbulenten Dasein, das sich Leben nennt.

Nimm deinen Körper und die Signale, die er sendet, ernst! Er hat eine Weisheit, die sich nicht mit Wissen erlangen lässt, sondern nur durch Erfahrung. Dann handle klug.

In diesem Sinne, komm´ gesund durch den Winter.