Wartezeiten sind manchmal sehr inspirierend. Während ich so auf die Reparatur meines Handys wartete, schaute ich aus dem Fenster des Geschäfts und beobachtete folgende Situation:
Eine Frau fährt mit ihrem Fahrrad auf dem Fußweg und sieht ein anderes Fahrrad dort stehen. Hier wird es offensichtlich eng. Ich frage mich kurz, ob sie daran vorbeikommt. Da höre ich sie auch schon wild klingeln und fluchen. „Das ist so etwas von rücksichtslos – unerhört.“ Sie steigt aber nicht ab, sondern fährt unter wildem Gezeter weiter.
In meinem Kopf tickert es: Woher weiß sie, dass das eine rücksichtslose Handlung war? Vielleicht war es nur unachtsam? Oder kennt sie die Person, der das Fahrrad gehört?
Sie hatte die Option abzusteigen und daran vorbeizuschieben oder vom Fußweg auf die Straße zu fahren, denn die war für Autos gesperrt. Was hat die Frau also dazu bewogen auf dem Fußweg weiter zu fahren und sich so richtig doll zu ärgern?
Gerade im Straßenverkehr beobachte ich, dass wir Menschen lieber auf unserem Recht beharren, als Platz zu machen oder Vorfahrt zu gewähren. Egal ob Radfahrer, Fußgänger oder Autofahrer. Jeder scheint es eilig zu haben und seinen Platz verteidigen zu müssen. Kennst Du das auch?
Ich denke, dass das Interpretieren, Beharren auf vermeintlichem Recht und eine gewisse Erwartungshaltung an andere uns erst richtig in den „Ärgermodus“ bringt. Wir neigen dazu, Dinge allzu persönlich zu nehmen.
Einen anderen Weg wählen, ob in dieser konkreten Situation oder anderswo, heißt für mich, bewusst eine Entscheidung zu treffen. Vielleicht weichen wir vom gewohnten Handeln ab und gehen eine neue Straße entlang. Das mag manchmal den Anschein haben, dass wir damit Schwäche zeigen. So wie vielleicht um ein Hindernis herumzugehen als mittendurch. Diese bewusste Entscheidung verstehe ich aber auch als Stärke. Und überhaupt – wer bewertet das? In jedem Fall erhalten wir Handlungsspielraum und mindestens eine der Alternativen lassen mich wahrscheinlich nicht ärgerlich werden. Wie großartig ist das denn!
Welche Situationen kennst du in deinem Leben, wo du einfach deinen gewohnten Weg weiter gegangen bist – stur geradeaus, obwohl eine Alternative weniger Ärger bedeutet hätte? Was hat dich dazu bewogen genau diesen Weg zu gehen? Die Gewohnheit? Vielleicht der Gedanke: das steht mir doch zu!
Wenn wir in Frieden mit uns selber und anderen zusammenleben wollen, dann braucht es nach meiner Überzeugung ein Miteinander, in dem es nicht ums Recht haben geht. Marschall Rosenberg hat einmal gesagt, dass hinter jeder noch so bescheuerten Handlung ein guter Grund steht. Wenn wir unserem guten Grund auf die Spur kommen, haben wir die Möglichkeit, bei uns selbst die Veränderung zu beginnen. Das mag zwar nicht immer ganz einfach sein, ist aber in jedem Fall leichter, als „die Anderen“ zu verändern. Also die Menschen, die stur gerade ausgehen, andere Fahrräder zur Seite schieben und fluchen, uns die Vorfahrt nehmen oder von denen wir uns respektlos behandelt fühlen. Diese Menschen wird es auch weiterhin geben, die können wir nicht ändern. Aber bei uns können wir sofort beginnen.
Also – was wirst du diese Woche ausprobieren? Wähle Situationen, in denen du kein Recht haben möchtest und dich bewusst für das Glücklich sein entscheidest. Bemerke, welche Veränderungen bei Dir passieren. Viel Spaß dabei!
Wenn Du gerade in größeren Veränderungen steckst oder diese bevorstehen, kann ich dich gern auf deiner Reise begleiten. Melde dich bei mir per Mail hier.