Gabriela Voss; Bahn; Bahnhof; Reise; Zug

Gestrandet am Bahnhof – und nun?

Achtsamkeit wird nicht auf dem Sitzkissen geübt, sondern vielmehr in unserem Alltag. Meiner bietet jedenfalls ausreichend Gelegenheit dafür. So zum Beispiel heute Morgen.

Der Plan

Ich hatte mich ziemlich früh zum Bahnhof geschleppt, ohne Frühstück und Kaffee, weil zwischen mir und meinem Schreibtisch im Homeoffice ca. eineinhalb Stunden Bahnfahrt lagen. Etwas fröstelnd und noch ein wenig müde habe ich erst am Bahnhof erfahren, dass mein Zug ausfällt. Danke, liebe Bahn für diese zeitnahe Information. Wozu gibt es eure App noch mal? Aber das mit der Digitalisierung ist ein anderes Thema.

Jetzt kommt Plan B

Ich stehe also am Bahnhof. Draußen hat es geschneit. Unter anderen Umständen hätte ich mich über den Schnee wohl mehr gefreut. Morgendliches Learning Nummer eins: Es kommt auf den Kontext an, in dem Dinge passieren.

Es gibt für mich eine Alternative mit zweimal umsteigen, um an mein Ziel zu kommen. Der Zug soll in 20 Minuten abfahren. Den nehme ich! 🙂 Dann ist ein paar Augenblicke später an der Anzeige zu lesen – „Der Zug hat 10 min Verspätung“. Die Umsteigezeiten sind zu knapp und damit hat sich mein Plan B in Luft aufgelöst. 🙁

Morgendliches Learning Nummer zwei: Es sind nur wenige Augenblicke, die manchmal zwischen Freud und Leid liegen…

Es gibt keinen Plan

Also greift Stufe drei oder auch „kein Plan“ genannt. Ich bin gestrandet in Hamburg, und dass ist auch gut so. Warum? Weil mir das Leben mal wieder zeigt, dass es sich nicht kontrollieren lässt. Im Kleinen wie im Großen.

Was also tun? Mich aufregen? Wozu? Ich habe darauf keinen Einfluss. Das ist also verschwendete Energie. Ich habe alle alternativen Möglichkeiten geprüft und abgewogen. Jetzt heißt es warten, was das Leben unter die Füße schiebt. Ja, es ist ungemütlich. Ja, ich habe jetzt Hunger. Aber mein Homeoffice ist immer dabei, der Laptop schlummert in der Tasche und ihn aufzuwecken braucht nur einen Knopfdruck.

Weiteres Learning: Ohne Termin im Nacken lässt sich Achtsamkeit leichter praktizieren. Es springen einfach weniger Trigger in mir an. Übrigens reicht es jetzt auch mit den Erkenntnissen, denn an diesem Tag fühle ich mich reich beschenkt. 😉

Was am Rande noch so passiert

Die Straßen sind verschneit. Der Schnee wird ja nicht vor den Schienen Halt gemacht haben. Aus der Ansage tönt es so schön: „Witterungsbedingt hat der Zug Verspätung/fällt der Zug aus.“ Ich meine sogar so etwas wie Bedauern in der Stimme herauszuhören. Ja, das Wetter. Es ist eines der Hauptursachen für Unzufriedenheit. Es ist zu heiß, zu kalt, zu nass, zu trocken, zu windig, zu irgendwas. Das würden wir nun wirklich gern so gestalten, wie es uns passt. Mir fällt der Titel „The Rainmaker“ ein. Was war das denn noch gleich? Ein Film? Ich grabe in meinem Hirn, doch es zeigt sich kein weiterer Bezug. Überhaupt denke ich gerade ziemlich sprunghaft.

Wie Beruhigung geschieht

Das ist eine ganz klare Entscheidung. Für meine Beruhigung entscheide ich mich, ins Café zu gehen und meinen Arbeitstag anders als zu gestalten. Ich werde bei einem leckeren Cappuccino, einen Blog über Achtsamkeit im Alltag schreiben. Natürlich nah genug am Bahnhof, damit ich sofort lossprinten kann, falls es ungeahnte Wendungen gibt. Das Ganze in ruhiger Atmosphäre, um die 90 Minuten Wartezeit bei 1-3 Heißgetränken zu überbrücken. 🙂

Ich merke, ich habe Lust darüber zu schreiben. Daher kannst du jetzt, liebe Leserin, lieber Leser, diesen Blog lesen. Ist auch ein netter Gewinn dieser unverhofften Unterbrechung, oder?

Das „take away“ aus der Geschichte

Tipps für unerwartete Wendungen in der Tagesplanung:

  1. Stehenbleiben und innehalten, BEVOR Aktionismus und Autopilot das Steuer in die Hand nehmen.
  2. Einen bewussten Atemzug nehmen und erst einmal bemerken, was diese neue Information mit dir macht.
  3. Wenn der nicht reicht, nimm noch ein paar mehr. Wichtig ist, dass die Welle der Emotionen durch dich hindurch gerollt ist und du jetzt wieder klar im Kopf bist. Anerkennen, dass du wütend, enttäuscht, verärgert oder anderes bist. Nicht wegdrücken und auch nicht reinsteigern.
  4. Checken, was deine Möglichkeiten sind. Gibt es Alternativen, die dich zum Ziel führen? Welche? Wie kommst du an die ran?
  5. Bist du zeitkritisch unterwegs und musst ggf. andere Menschen informieren? Kommunikation ist bei kleinen Problemen wie auch in großen Krisen das A und O. Nicht zu unterschätzen: manchmal auch eine wichtige Information für andere Menschen, die mit dir in der langen Schlange der Supermarktkasse stehen. Stilles vor sich „hinbrummeln“, wie langsam das hier alles geht, ist meist wenig zielführend und verpestet eher die Luft für alle.
  6. Take action! Jetzt erst kommt die Aktion. Ganz ohne Hektik hast du dich entschieden, was für dich die heute beste Option ist. Anders als geplant, aber muss es deswegen schlechter sein? Nimm dir später am Tag Zeit zu reflektieren, ob es auch etwas Positives in dieser Situation gab. Vielleicht zeigt es sich auch nicht am selben Tag, sondern erst sehr viel später. Ich bin ziemlich sicher, dass sich etwas zeigt. Du hast die Deutungshoheit darüber.
  7. Jetzt mit deiner Entscheidung in Frieden sein und zum Beispiel einen Cappuccino trinken.

Was denkst du jetzt?

Klingt alles zu schön, um wahr zu sein? Es ist dir zu banal? Ich finde, wenn wir öfter in geringfügig aufregenden Situationen üben, dann gelingt es in sehr aktivierenden Situationen umso leichter ruhig zu bleiben. Und diese „Minimalaufreger“ zum Üben haben wir öfter, als dass wir uns Zeit nehmen für eine Meditation, einen Spaziergang oder unser Hobby. Das würde uns natürlich auch ziemlich runterbringen vom Baum.

Für mich bedeutet Achtsamkeit, mit bewusstem, klarem Verstand durch die Welt zu gehen. Das hat etwas von geistesgegenwärtig sein. Jeder Augenblick kann mich etwas lehren. Und ich habe die Möglichkeit, mich jeden Augenblick zu leeren – von meinen negativen Gedanken oder aufwühlenden Emotionen. Das macht Platz für mehr Zufriedenheit, innere Ruhe und vielleicht sogar Glück.

Am Ende des Tages

Mein Benefit der Verspätung und des chaotischen Starts in diesen Tag war, dass ich die Zeit hatte, in Ruhe diesen Blog zu schreiben. Ich habe mir Zeit für mein Frühstück geschenkt, das ich sonst im Zug gegessen hätte.

Meine Einladung an dich ist heute nach den alltäglichen Situationen Ausschau zu halten, in denen du achtsam und geistesgegenwärtig sein kannst. In denen du am Steuer sitzt und nicht dein innerer Autopilot. 

Oder doch auf dem Sitzkissen?

Und vielleicht beginnt für dich doch alles auf dem Sitzkissen? Dann sehen wir uns dort? Komme in meinen Dranbleiben-Kurs. Im Frühjahr 2024 treffen wir uns wöchentlich für 90 Minuten zu Meditation und Austausch. Hier kannst du dich direkt anmelden und hier hast du eine Übersicht über alle Termine in 2024. Ich freue mich, wenn wir uns sehen.